Sustainable Finance

Auf dem Weg zu grüneren Finanzmärkten

Prof. Zacharias Sautner von der Universität Zürich ist ein führender Experte für nachhaltige Finanzen. Von der Untersuchung der Auswirkungen von Unternehmenslobbying auf den Klimaschutz bis hin zur Entwicklung innovativer Instrumente zur Messung von Klimarisiken - seine Arbeit ist ein Beispiel für die wichtige Verbindung zwischen akademischer Forschung und praktischer Anwendung. Text: Victoria Watts


Die Ziele des Pariser Abkommens zum Klimawandel scheinen unerreichbar zu sein. Warum eigentlich?

Das liegt zum Teil daran, wie die Anreizstrukturen beschaffen sind. Die Unternehmen handeln innerhalb des gesetzlichen Rahmens und nach betriebswirtschaftlichen Gesichtspunkten. Obwohl sich die Wirtschaftswissenschaftler:innen einig sind, dass eine Kohlenstoffsteuer den Unternehmen einen Anreiz bieten würde, ihre CO2-Emissionen erheblich zu reduzieren, gibt es derzeit keine solche Steuer auf globaler Ebene, oder wenn es sie gibt, ist sie zu niedrig angesetzt.

Warum gibt es keine Kohlenstoffsteuer?

Eine Antwort ist die Lobbyarbeit. Wir haben gerade ein Papier veröffentlicht, in dem wir zeigen, dass US-Unternehmen große Summen ausgeben, um strengere Klimaregelungen zu verhindern. Interessanterweise dokumentieren wir auch zum ersten Mal, dass Unternehmen, die viel Geld für solche klimafeindliche Lobbyarbeit ausgeben, ein Investitionsrisiko für Anleger:innen darstellen. Der Grund dafür ist, dass Anti-Klima-Lobbying grosse Reputations- und Übergangsrisiken mit sich bringt. Ich hoffe, dass unsere Ergebnisse dazu führen, dass mehr Investor:innen ihre Portfoliounternehmen wegen dieser Lobbying-Aktivitäten hinterfragen. Schliesslich liegt dies im langfristigen Interesse der Investor:innen, ihrer Unternehmen und des Planeten.

Gibt es andere Finanzmechanismen, die Anreize für ein langfristigeres Denken der Unternehmen schaffen könnten?

Ein Mechanismus ist der Kanal der Kapitalkosten. Unternehmen brauchen Finanzkapital, um ihre Geschäfte zu führen und zu wachsen. Untersuchungen zeigen, dass die Kapitalkosten, d. h. die Kosten für Eigen- und Fremdkapital, für Unternehmen mit negativen Auswirkungen auf den Klimawandel und die biologische Vielfalt höher sind. Daher ist es für Unternehmen rational, Emissionen und ihre Auswirkungen auf die biologische Vielfalt zu reduzieren, da dies die Kapitalkosten senkt. Das schafft Shareholder Value.

Ist das Klima den Anleger:innen wirklich wichtig?

Einige Anleger:innen haben einen intrinsischen Anreiz, sich um den Klimawandel zu kümmern, insbesondere diejenigen, die dem gesamten Markt ausgesetzt sind, wie z. B. grosse Pensionsfonds. Und warum? Weil diese Anleger:innen in Zukunft die Kosten des Klimawandels tragen werden. Viele Pensionsfonds besitzen zum Beispiel Immobilien in Küstengebieten oder in Gebieten, die von Erdrutschen betroffen sind. Sie haben daher ein grosses Interesse daran, den Klimawandel zu bekämpfen. Eine Möglichkeit, dies zu tun, besteht darin, die Macht des Kapitals zu nutzen, indem sie zum Beispiel Portfoliounternehmen dazu bringen, klimafreundlicher zu werden.

Welche Rolle spielen ESG-Ratings (Environmental Social Governance) im Investitionsprozess?

ESG-Ratings sind wichtig, weil sie versuchen, die ESG-Risiken von Unternehmen zu quantifizieren. Die Anleger:innen können diese Bewertungen nutzen, um diese Risiken zu messen, zu verwalten und zu bewerten. Zu beachten ist, dass ESG-Ratings in der Regel nicht widerspiegeln, inwieweit Unternehmen die Welt verbessern. Es ist wichtig, diesen Unterschied zu verstehen. Denn er bedeutet, dass der blosse Kauf von Investmentfonds oder Aktien mit hohen ESG-Ratings die Welt nicht zwangsläufig zu einem besseren Ort macht.

Wir erleben derzeit eine Gegenreaktion auf ESG-Kriterien. Warum?

Einige Leute glauben, dass ESG-basierte Investitionen ein Teil des „woken" Kapitalismus sei, der die Unternehmen dazu dränge, Dinge zu tun, die nicht wirklich in ihrem Interesse sind. Aber darum geht es bei ESG-Investitionen nicht. ESG-Investitionen sind keine ideologische Spielart, sondern ein wichtiges Instrument, das Anleger:innen hilft, ESG-bezogene Risiken zu managen. Und davon gibt es viele.

Singapur und andere asiatische Länder fördern intensiv die akademische Forschung im Bereich der nachhaltigen Finanzen. Was ist ihr Ziel?

Es gibt einen enormen Wettbewerb, um die Kapitalmärkte zukunftsfähig zu machen, indem den Anleger:innen Finanzinstrumente angeboten werden, die Lösungen für die Klima- oder Biodiversitätskrise beinhalten. Denken Sie an grüne Anleihen, Kohlenstoffzertifikate oder die Finanzierung der biologischen Vielfalt. Mehrere Finanzzentren auf der ganzen Welt haben damit begonnen, ihre Marktinfrastrukturen anzupassen und diese Instrumente zu entwickeln. Vor allem mehrere asiatische Kapitalmärkte haben sich rasant entwickelt und viel Geld in diese Entwicklungen gesteckt. Interessanterweise gehören dazu auch erhebliche Mittel zur Förderung der Forschung, die uns hilft, besser zu verstehen, wie wir das Finanzsystem umweltfreundlicher gestalten können.

Und die Schweiz?

Die Schweiz hat erkannt, wie wichtig die Integration von Nachhaltigkeitsaspekten in die Finanzmärkte ist, um wettbewerbsfähig zu bleiben. Meine Professur für nachhaltige Finanzen ist Teil dieser Bemühungen. Ein Ziel meiner Forschung ist es, grundlegende Erkenntnisse zu liefern, die dem Schweizer Finanzmarkt zugute kommen. Auf diese Weise hoffe ich, ein wenig dazu beizutragen, dass die Schweiz im Finanzbereich weltweit führend bleibt.

Finanzen sind ein globales Thema; muss nachhaltige Finanzforschung in Zürich betrieben werden?

Ja, lokale Forschung ist sehr wichtig. Denken Sie an den Pharmasektor. Um führende Pharmaunternehmen in der Schweiz zu halten, muss man in der Schweiz Grundlagenforschung in Medizin oder Pharmakologie betreiben. Und man muss den Schweizer Arbeitskräften eine hochmoderne Aus- und Weiterbildung bieten. Die gleiche Logik gilt für den Finanzsektor. In der Strategie des Bundesrates für nachhaltige Finanzen ist klar festgehalten, dass die Schweiz im Bereich der nachhaltigen Finanzen eine führende Rolle einnehmen will. Deshalb brauchen wir in der Schweiz eine erstklassige Forschung im Bereich der nachhaltigen Finanzen. Meine Kolleginnen und Kollegen an der UZH und ich versuchen, genau dies zu tun und damit die neusten Erkenntnisse für die politischen Entscheidungsträger:innen und die Branche bereitzustellen.

Wie trägt Ihre Arbeit in der Praxis zu diesem Ziel bei?

Eine Dimension besteht darin, unsere Forschung und die von uns generierten Daten als öffentliches Gut verfügbar zu machen. Zur Veranschaulichung haben wir einen neuartigen Ansatz entwickelt, um die Klimarisiken und -chancen von Unternehmen zu messen, indem wir die Mitschriften von mehr als 10.000 Telefonkonferenzen von Unternehmen analysieren. In diesen Gesprächen erörtern Manager und ihre Investor:innen aktuelle und zukünftige Entwicklungen, mit denen die Unternehmen konfrontiert sind. Wir messen, wie oft klimabezogene Themen in diesen Telefonkonferenzen besprochen wurden und ob sich die Diskussion auf Risiken oder Chancen konzentrierte. Wir haben unsere Daten öffentlich zugänglich gemacht und Dutzende von Forschungsteams haben bereits damit begonnen, sie für ihre eigene Arbeit zu nutzen; beispielsweise, um zu verstehen, wie Klimarisiken auf den Finanzmärkten eingepreist werden. Solche Daten liefern ergänzende Informationen zu kommerziellen ESG-Ratings.

Handlungsempfehlungen für Unternehmen, Investor:innen und die Regierung

  • Transparentes Klima-Lobbying: Unternehmen sollten ihr politisches Engagement, ihre Lobbying-Ausgaben und ihre Ausrichtung auf Klimaschutzziele offenlegen, da diese die Investitionsrisiken für Investor:innen beeinflussen.
  • Portfoliogesellschaften hinterfragen: Investor:innen sollten die Lobbying-Aktivitäten ihrer Portfoliogesellschaften und deren ESG-Auswirkungen genau prüfen, um den langfristigen Wert für die Stakeholder und die Umwelt zu schützen.
  • Lokale Forschung im Bereich der nachhaltigen Finanzen: Die Schweiz will im Bereich der nachhaltigen Finanzen führend sein, wie in der Strategie des Bundesrates dargelegt. Um dieses Ziel zu erreichen, müssen wir für den Schweizer Finanzmarkt Spitzenforschung und -ausbildung im Bereich der nachhaltigen Finanzen anbieten.

Mehr über Klima-Lobbying

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Zacharias Sautner ist Professor für nachhaltige Finanzen am Department of Finance der UZH und Inhaber eines Lehrstuhls am Swiss Finance Institute (SFI). Durch seine Forschung zu ESG-Themen wie Klimawandel oder Biodiversität gibt er Einblicke, wie das Finanzwesen zu einer nachhaltigeren Zukunft beitragen kann.

An der Executive Education unterrichtet er in folgenden Kursen: eCorporate Finance Basic, Sustainable Investing und Current Trends in Sustainable Investing. Die Kurse sind Teil des CAS in Corporate Finance, CAS in Sustainable Finance, DAS Banking, DAS Finance, DAS Sustainable Finance, MAS Finance und MAS Sustainable Finance.

Quelle: Oec. Magazin Ausgabe #22


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Annette Krauss

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