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Interview

«CSR: Den Unternehmen kommt eine Schlüsselrolle zu»

Prof. Andreas Scherer forscht seit Jahren zu Corporate Social Responsibility. Im Interview verrät er, wo die grössten Herausforderungen liegen und warum Unternehmen eine Schlüsselrolle beim Thema CSR einnehmen. Text: Jennifer Zimmermann


Prof. Scherer, weshalb sollten Unternehmen CSR betreiben?

Die Übernahme gesellschaftlicher Verantwortung durch Unternehmen ist heute «taken for granted». Es stellt sich daher nicht mehr die Frage, ob Unternehmen gesellschaftliche Verantwortung übernehmen sollen, sondern, wofür genau und was sie dazu konkret tun sollen und können. Den Unternehmen kommt aufgrund ihrer Ressourcen (d. h. Wissen, Menschen, Kapital, Beziehungen) eine Schlüsselrolle bei der Bewältigung sozialer und ökologischer Probleme zu. Hinzu kommt, dass sie, im Vergleich zu staatlichen Akteuren, auch über nationalstaatliche Grenzen hinweg agieren können.

Mit welchen Problemen sehen sich Unternehmen dabei konfrontiert?

In einem Umfeld mit rapidem gesellschaftlichem und technologischem Wandel tun sich immer wieder neue Problemfelder auf, in denen die Unternehmen und deren verantwortliches Engagement gefordert sind, ohne dass ihr Verhalten durch Gesetze oder Verordnungen bereits ausreichend vorreguliert ist. In öffentlichen Diskursen wird dabei immer wieder neu verhandelt, wie die gesellschaftlichen Probleme von staatlichen, privaten und zivilgesellschaftlichen Akteuren adressiert und arbeitsteilig bewältigt werden sollen.

Welche Fragen beschäftigen Unternehmen in Bezug auf CSR?

Das könnten zum Beispiel solche Fragen sein: Welche Verantwortung haben Unternehmen für die physische und psychische Gesundheit ihrer Mitarbeitenden und die ihrer Zulieferer oder Abnehmer während der Corona-Pandemie? Wie kann und soll diese wahrgenommen werden? Welche Verantwortung haben Unternehmen im Zuge des Krieges in der Ukraine? Gegenüber Geschäftspartnern, Kunden, Mitarbeitenden in der Ukraine und in Russland? Wie kann und soll diese wahrgenommen werden? Die Beispiele zeigen, dass es hierauf jeweils keine ex ante definierte Antwort gibt, sondern, dass diese in gesellschaftlichen Diskursen unter Beteiligung der verschiedenen Stakeholder entwickelt werden müssen. Die Unternehmen müssen geeignete Strukturen und Prozesse anlegen und die Fähigkeit entwickeln, nicht nur angemessen zu reagieren, sondern auch im Hinblick auf latente oder emergierende Problembereiche proaktiv zu handeln.

Welche Rolle spielt die Globalisierung dabei?

Heute operieren viele Unternehmen in heterogenen institutionellen Kontexten mit unterschiedlichen politischen, rechtlichen und moralischen Rahmenbedingungen. Dabei sind grosse Teile der globalen Wertschöpfung ausgelagert in Staaten mit autoritären oder fragilen Regimen, finden also jenseits der Reichweite von Demokratie und Rechtsstaat statt. Wir können daher nicht mehr davon ausgehen, dass Recht und moralische Erwartungen das Verhalten gewinnorientierter Unternehmen so kanalisieren, dass es in seinen Auswirkungen der Gesellschaft und zukünftigen Generationen dienlich ist. Diese Regelungslücken zu schliessen ist Aufgabe der «Global Governance», an der sich Unternehmen beteiligen und entweder im Zuge der Selbstregulierung oder im Konzert mit staatlichen und nicht-staatlichen Akteuren wie NGOs und zivilgesellschaftliche Gruppen Regeln für das globale Wirtschaften (mit-)verantwortlich definieren und durchsetzen.

Welche Unternehmen sind aus Ihrer Sicht Vorreiter?

Im United Nations Global Compact (UNGC) sind mehr als 10‘000 Unternehmen engagiert. Sie haben Verantwortung übernommen und sich freiwillig verpflichtet, in ihrem Einflussbereich, d.h. entlang der sie betreffenden Wertschöpfungsketten und auch ausserhalb der eigenen Firmengrenzen, Menschenrechte zu schützen, Sozial- und Umweltstandards durchzusetzen und Korruption zu bekämpfen. Der UN Global Compact versteht sich als Lernplattform, auf der Unternehmen Erfahrungen austauschen und zu einem institutionellen Wandel beitragen, dies insbesondere in Regionen, in denen staatliche Akteure nicht den Willen oder die Kapazitäten haben, für die Einhaltung sozialer und ökologischer Mindeststandards zu sorgen. Hierbei erfüllen Unternehmen eine wichtige Steuerungsaufgabe und entwickeln Lösungen (mit), die auf die institutionellen und branchenspezifischen Kontexte zugeschnitten werden müssen. Die Internetseite des UNGC liefert viele Informationen zu Best Practices der Unternehmen.

Was macht die Wirtschaftswissenschaftliche Fakultät im Bereich CSR?

Die WWF ist zum Thema «CSR and Business Ethics» im Bereich der Forschung gut aufgestellt. Gemessen an den Zitationen von einschlägigen Veröffentlichungen in wissenschaftlichen Zeitschriften gehört die UZH zu den weltweit führenden Universitäten und Business Schools. Zudem haben sich unsere Nachwuchswissenschaftler*innen, die zu diesen Themen forschen, im letzten Jahrzehnt zu einem «Exportschlager» entwickelt und nehmen heute Professor*innenstellen an Spitzenuniversitäten in der Schweiz und im Ausland ein.

Und wie sieht’s in der Lehre aus?

In der Lehre verfolgt die WWF einen dezentralen Ansatz, bei dem es den Dozierenden und der Professorenschaft obliegt, die Themen Ethik und Verantwortung in den jeweiligen Fächerkanon zu integrieren. Dies macht insoweit Sinn, als je nach Fachgebiet sich andere ethische Herausforderungen stellen, z.B. in der Informatik, im Marketing, im Accounting, im Bankwesen, im Leadership oder im Human Ressource Management. Gleichwohl stehen wir vor der Herausforderung, die bestehenden Kapazitäten und Kompetenzen zu bündeln, um mehr Schlagkraft und noch mehr Visibility zu erreichen. Das Center for Responsible Finance ist zum Beispiel ein Schritt in diese Richtung.

Was wünschen Sie sich für die Zukunft?

Ein weiterer fälliger Schritt wäre die Schaffung von Professuren mit einem dezidierten Schwerpunkt in Ethics und Responsibility. Dies ermöglicht uns, Grundlagen und Methoden stärker in den Blick zu nehmen, den bestehenden Fächerkanon in der Lehre zu ergänzen und junge, erfolgreiche Talente für die WWF zu akquirieren, zumal in diesen Gebieten derzeit die Musik spielt und in den letzten Jahren überdurchschnittliche viele Veröffentlichungen in Top-Journals mit High Impact vorgelegt wurden.

(Prof. Dr. Andreas Georg Scherer ist Inhaber des Lehrstuhls für Grundlagen der Betriebswirtschaftslehre und Theorien der Unternehmung am Institut für Betriebswirtschaftslehre der Universität Zürich. 2020 hat ihm die Universität Hamburg die Ehrendoktorwürde verliehen.)

Text: Jennifer Zimmermann

Quelle: Oec. Magazine #17

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COO & Finance

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